Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Redaktion von Zeit Online,
Am 22. Oktober 2023 um 20:07 Uhr veröffentlichten Sie einenen Aufruf mit dem Titel „Hatten Sie Long Covid und jetzt geht es Ihnen besser?“ (LINK)
Die Einleitung lautet:
Long Covid hat viele Menschen aus ihrem Leben geworfen. Wir würden gern mit Betroffenen sprechen, und erfahren, was ihnen geholfen hat.
Im Folgenden finden Sie meinen Bericht, wie meine Erkrankung mit Long Covid verlief und besser wurde.
Just heute habe ich dazu auch ein fast 50-Minütiges Video auf YouTube veröffentlicht.
Ich infizierte mich Ende März 2022 mit dem Virus und hatte einen medizinisch milden Infektionsverlauf. Die Symptome entsprachen denen einer ausgewachsenen Grippe-Infektion, mit u. a. Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen, Kurzatmigkeit, Husten, Schnupfen, Fieber.
Als ich nach zwei Wochen Infektionsverlauf wieder mit dem gewohnten Leben beginnen wollte, merkte ich recht schnell, dass etwas nicht passte. Ich hatte keine Kraft, wenige Treppenstufen brachten meinen ganzen Körper derartig zur Erschöpfung, dass ich am ganzen Körper zitterte und Stunden brauchte zur Erholung. Damit einher ging ein andauernder, trockener Husten, verursacht durch von der Infektion hervorgerufenes Asthma, das bei Belastung Atembeschwerden verursachte. Kraftlosigkeit in Armen und Händen, dass ich kein Besteck mehr selbst halten konnte. Die Finger taten nicht das, was ich wollte, der Boden kippte plötzlich unter meinen Füßen, sodass ich stürzte. Ich konnte nicht mehr klar denken, Worte schienen oft in weiter Ferne. Mehr als eine Person im Gespräch konnte ich nicht mehr folgen. Dinge verschwanden aus meinem Gedächtnis, unmittlebar nach dem Ereignis. Plötzliche Desorientiertheit, Artikulationsprobleme machten den Alltag und die einfachsten Dinge zur Herkulesaufgabe. Dazu andauernde, aufflammende und schneidende Schmerzen in den Extremitäten. Nervenschmerzen – wie ich nach einigen Monaten erfuhr – lassen sich nicht mit Ibu oder Parazetamol behandeln…
Die Erschöpfungssymptomatik und Belastungsintoleranz führte mich zu etlichen Ärzten, es wurden 40% körperliche Leistungsfähigkeit relativ zu meinem Alterssoll festgestellt. Das ist wenig.
1,5 Jahre, etliche Fehldiagnosen, Psychosomatisierungen und Arztwechsel später, geht es mir kaum besser.
Ich kann meine Symptome zum Erträglichen reduzieren, aber gesund bin ich nicht, normal Leben kann ich nicht. Ein andauernder Machtkampf mit dem Arbeitgeber, mit den Ärzten, mit dem Leben.
Ich habe das Glück, ein stabiles und loyales soziales Umfeld zu haben. Das hilft mir sehr, nicht den Mut und Humor zu verlieren. Denn wie Erich Kästner wusste:
Humor ist der Regenschirm der Weisen
Erich Kästner
Aber ausgerechnet den Menschen, die mich am meisten unterstützen, falle ich auch am meisten zur Last und schränke sie ein.
Meine Freunde, meine Familie, meine Frau.
Wir alle sind hilflos, klammern uns an kleinen Besserungen fest, um dann mit der nächsten Verschlechterung niedergeschlagen zu werden.
Long Covid übersteht man nicht einfach.
Es ist eine humanitäre wie medizinische Katastrophe.
Existenzen, Beziehungen und Familien zerbrechen.
Patienten werden abgewiesen, verspottet und psychosomatisiert.
Junge Menschen, bisweilen Kinder und Jugendliche, wünschen sich in Ihrem Leid Erlösung durch den Tod.
Derweil suchen Sie aufmunternde Anekdoten, wie alles wieder gut wurde…