Als Anfang des Jahres 2020 nach fünf Jahren mein erstes Smartphone zusehends und ziemlich zügig den Geist aufgab, brauchte ich Ersatz. Ganz konkret dauerte das Laden der Bildschirmtastatur bis zu 30 Sekunden. Das Durchhaltevermögen des Akkus hatte sich auf knapp 6 Stunden reduziert. Relativ spontan, unreproduzierbar und für den Nutzer nicht ersichtlich fielen Telefon- und Internetfunktion aus, sodass man weder telefonieren oder SMS verschicken oder versenden konnte, noch ins Internet kam, um via Messenger erreichbar zu sein. Im Display wurde allerdings nach wie vor voller Funk- bzw. Wlanempfang angezeigt, es gab keinen Hinweis auf eine Fehlfunktion. Das GPS versetzte mich spontan während der Autobahnfahrt nach Südamerika und Indien. Das Huawei P8 war fünf Jahre alt und hatte mir gute Dienste getan, es war zeit für einen Wechsel. Einige Personen in meiner Bekanntschaft hatten das Fairphone 2 gekauft und waren damit sehr zufrieden, sodass ich mich relativ sponat während einer Autofahrt für den Kauf des neueren Modells Nummer 3 entschied – der größte Fehlkauf meines Lebens für zu diesem Zeitpunkt über 650€ zzgl Ladekabel.

Telefonieren

Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr war ich durch Homeoffice auf das Gerät beruflich angewiesen. Die Probleme begannen beim Telefonieren. Ich habe keine großen erwartungen an ein Telefon. Aber ich erwarte, dass es telefonieren kann – und zwar ohne jegliche Probleme und Einschränkungen. Und darin versagte das Fairphone 3 in den ersten 2 oder 3 Monaten grandios. Spontane Abstürze – nur während des Telefonats – sorgten für zahlreiche Unterbrechungen und Ausstiege aus wichtigen Teambesprechungen und Corona-Krisenmeetings. Zudem beklagten sich meine Gesprächspartner häufig über schlechte Tonqualität, konnten mich überhaupt nicht hören oder – ganz originell – ich sie nicht, während sie alles von mir in unerträglicher Lautstärke entgegengebrüllt bekamen.

Inzwischen wurde das Problem durch ein Update behoben.

Telefonieren mit Headset

Noch spannender wurde das Telefonieren mit Headset. Durch einen Softwarefehler erkannte das Telefon nicht, dass ein Headset angeschlossen oder abgeschlossen wurde. Schloss man das Headset per Klinke oder Bluetooth an, wurden Lautsprecher und Mikro des Gerätes deaktiviert, vom Headset allerdings nicht aktiviert. Ich und Gesprächspartner hörten nichts. Selbiges geschah, wenn man das Headset wieder absteckte, nur umgekehrt. Der Fairphone-Support war hier herzlich nutzlos und wusste mich nur auf die FAQ-Seite zu verweisen, die ich aber zu diesem Zeitpunkt bereits auswendig kannte. Die systemeigene Diagnosefunktion bestätigte, was ich schon wusste: Softwarefehler. Ich löste das Problem notgedrungen mit einer App namens „Lesser AudioSwitch„, die es möglich macht, Manuell zwischen den Audiogeräten zu wechseln. Die bereits erwähnten Tonstörungen und Lautstärkeeskalationen konnte ich damit allerdings nicht beheben.

Inzwischen wurde das Problem durch ein Update behoben. Leider wurden mit diesem Update ohne Vorwarnung oder Ankündigung alle Kontakte von der SIM-Karte gelöscht.

Apps

Das Fairphone 3 ist schlank ausgestattet mit Apps. Wirklich sehr schlank. Und fehlerbehaftet.

Es gibt keinen Musikplayer

Es gibt keine Videoapp

Es gibt keine Notizapp

Es gibt keinen Audiorecorder

Es gibt gerade so die Standard-Google-Apps von Android. Natürlich kann man solche Anwendungen aus dem Appstore nachrüsten. Dennoch war ich bisher in dem offensichtlichen Irrglauben gegangen, dass solche Dinge inzwischen zum Standard gehören.

Die Dateien-Anwendung reduziert die Oberfläche für den absoluten DAU (dümmster anzunehmender User) auf ein Minimum, das nicht einmal das schnelle Wechseln zwischen Ordnern ohne weiteres zulässt.

Die Kamera ist langsam (wirklich sehr langsam) und produziert wirklich nicht schöne Bilder. Mein fünf Jahe altes Huawei P8 hat schöneres Bildmaterial geliefert. Das Scharfstellen bei optimalen Belichtungsverhältnissen dauert lange, bei nicht optmilaren bis ungünstigen Lichtverhältnissen ist ein scharfes Foto eher Glück als Verlass; wenn ja, auf jedenfall mit einer Menge Ameisenwusel (Rauschen). Theoretisch kann die Kamera 120 FPS in 1080p filmen, aber leider wurde die Filmfunktion durch das jüngste Update zerschossen. Statt des gefilmten Bildausschnitts sieht man beim Filmen selbst nur ein Standbild des ersten Videoframes. Das gefilmte Video ist defekt und kann mit mit dem Handy nicht mehr gelöscht werden. Stattdessen muss man das Gerät an einen PC anschließen und als Datenträger freigeben, um dann die defekten Dateien mittels PC zu löschen. Das Zulassen des PC-Zugriffs funktioniert zudem gelegentlich und nicht reproduzierbar nicht. Kostenfreie alternativen zur nativen Kamera-App kitzeln deutlich mehr aus dem Chip heraus, bombardieren den Nutzer aber mit Werbung.

Kontakte

Habe ich schon erwähnt, dass nach einem Update einfach die Kontakte von der SIM-Karte verschwunden sind? Vielleicht hat man die SIM-Kontakte auch nur versehentlich herausgepatcht und irgendwann kann man wieder darauf zu greifen. Nichts desto trotz kann und DARF soetwas nicht passieren. Die Folge: ich konnte die Hälfte meiner beruflichen Kontakte nicht mehr erreichen, die Hälfte der Chats in diversen Messengern waren plötzlich namenlose Nummern. Das macht Spaß!

Buggy Systembenachrichtigungen und Disko mit der Benachrichtungs-LED

Immer wieder kommt es vor, dass eine Systemnachricht nicht weggewischt oder als gelesen markiert werden kann. Das hat keine direkte negative oder einschränkende Auswirkung auf die Verwendung, sorgt aber dafür, dass die BenachrichtigungsLED, die einen sonst auf neue Chats, Emails und Nachrichten hinweist, in einen diskoähnlichen Dauerblinkemodus versetzt wird, der sich erst wieder durch ein weiteres Update beenden lässt.

Fazit

Der Support von Fairphone war im Rahmen seiner Möglichkeiten stets bemüht, mir zu helfen. Das würde man in ein Arbeitszeugnis der Note 5 schreiben. Die FAQ sind umfangreich, aber bisweilen nuztlos. Die Probleme so ungewöhnlich wie absurd und undenkbar. Die Zeit, die ich damit vergeudet habe, das Fairphone 3 für mich und meine wirklich überschaubaren Ansprüche überhaupt verwendbar zu machen, beträgt mehrere hundert Stunden. Die Qualität der Software spiegelt sich wunderbar in der Rückenblende des Gerätes wieder, aus der inzwischen bis auf das „O“ alle Buchstaben des Schriftzugs „FAIRPHONE“ herausgefallen sind. Ich besizte dieses Telefon nun seit Anfang Februar 2020 und bereue es jeden Tag, dass ich aus Überzeugung nicht für weniger Geld ein beliebiges anderes gebrauchtes Gerät gekauft habe.

Don’t touch it