Der Deal ist besiegelt: Milliardär Elon Musk übernimmt den Kurznachrichtendienst Twitter und feuert in seiner ersten Amtshandlung die Führungsetage. Auf der Plattform selbst bezeichnet er sich seitdem als „Chief Twit“ und postet am Morgen des 28. Oktober den bedeutungsschwangeren Tweet „the bird is free“. Gleichzeitig gehen die Server der dezentralen Twitteralternative Mastodon unter der Last der #MastodonImmigration in die Knie: tausende Nutzer legen sich einen Account im Fediverse an und nutzen Twitter, um ihre Follower und Bekannte über ihren neuen Nutzernamen im „unkäuflichen“ Internet zu informieren. Nicht zuletzt Musks Äußerungen zu seinem Verständnis der „freien Meinungsäußerung“ und sein problematisches Verhältnis zu Rechten dürften den Massenexodus begünstigen. Als extremes Beispiel und Grund für die Reaktion gilt auch die Social Media App „Truth Social“, gegründet vom ehemaligen US-Präsident Donald Trump, nachdem dieser wegen seiner Verstöße gegen die Nutzungsrichtlinien permanent von Twitter verbannt worden war. Die besagte App erlangte fragwürdige Bekanntheit, weil vor allem rechte und rechtsextreme Nutzer sich dort anmeldeten und als Echokammer für Hass, Anfeindungen und Hetze zur Radikalisierung genutzt wurde.

Ein Fediverse, ein Problem

Das Fediverse, also die „freien sozialen Plattformen“ bestehen aus unzähligen kleinen Servern, die alle miteinander kommunizieren können. Neben Mastodon als analogtwitter gibt es auch einen Ersatz für Instagram, Youtube und Facebook.

Das Fediverse an sich und Mastodon als Plattform ist also keine professionelle Dienstleistungsfirma wie Twitter mit großen Rechenzentren und Loadbalancing-Kapazitäten. Hinter den einzelnen Instanzen des Mikroblogging-Dienstes stehen häufig Privatleute oder kleine Organisationen und Vereine , die die Infrastruktur ehrenamtlich oder nur für kleines Geld betreiben. Ein Geschäftsmodel in dem Sinne gibt es nicht, Werbung schalten Fehlanzeige, technisch unversierte Nutzer scheitern bereits an dem Fakt, dass man einen Server auswählen muss (oder kann). Die Flut der plötzlichen Anmeldungen bringt die Server ins Straucheln, Bestätigungsemails kommen stark verzögert an und Pushnachrichten kämpfen mit bis zu einer Stunde Verspätung. Der Chaos Computer Club sperrt bisweilen die freie Registrierung auf seiner Mastodoninstanz und lässt nur noch Beitritte via Einladung zu, um der Situation Herr zu werden.

Wind of Change?

Ob die Migration von Twitter zu Mastodon anhalten wird, ob Mastodon dem Ansturm gewachsen ist, ob diese Entwicklung überhaupt nennenswert ist, oder nur ein kurzes Event bleibt, das ist abzuwarten.
Nilay Patel kommentiert die Übernahme, die Krönung Elon Musks zum Twitterkönig, in seinem Artikel „Welcome to hell, Elon“ bei „the verge“  wie folgt:
„What I mean is that you [Elon] are now the King of Twitter, and people think that you, personally, are responsible for everything that happens on Twitter now. It also turns out that absolute monarchs usually get murdered when shit goes sideways“.