Sehr geehrter Herr Spahn,
als Minister hat man es nicht leicht. Auf der einen Seite die Unternehmen und Lobbies, die einem persönliche Vorzüge und das dritte Sommerhaus versprechen, auf der anderen Seite die Bevölkerung, die tatsächlich erwartet, dass man als Kopf eines Ministeriums Dinge in die Wege leitet, die auch tatsächlich im Interesse der Gesellschaft sind.
Pflege und Gesundheit sind in Deutschland eine Dauerbaustelle. Die miserablen Arbeitsbedingungen in der Branche sind bekannt. Extremer Personalmangel und unbezwingbare bürokratische Auflagen werden im Gesundheitswesen mit so niedrigen Stundenlöhnen vereint wie in kaum einem anderen Gebiet. Die Infrastruktur der Krankenhäuser ist konsequent überlastet, bei den Ärzten findet eine Landflucht statt und Fachpraxen nehmen entweder überhaupt keine Patienten auf oder nur mit so langen Wartezeiten, dass sich das eine oder andere Anliegen bis zum Behandlungstermin auch selbst löst – selten zu Gunsten des Patienten. Das Gesundheitssystem taumelt, es steht die Frage der Sozialen Gerechtigkeit, Finanzierbarkeit, Machbarkeit im Raum wie ein rosaroter Elefant, der sich in einem Porzellanladen aufbläht wie ein überdimensionierter Hefeteig.
Und dann kommen Sie daher.
Statt die prekären Arbeitsbedingungen in der Pflege zu handhaben, schlagen Sie vor, ein verpflichtendes Pflegedienstjahr einzuführen und einen Haufen unqualifizierte Ahnungsloser auf die Menschen loszulassen.
Statt dafür zu sorgen, dass die Versorgung von Erkrankten und krankheitsbedingt Eingeschränkten verbessert wird, halten Sie es für eine gute Idee, diese Menschen gewaltsam und ohne Möglichkeit auf Widerspruch aus ihrem sozialen und vertrauten Umfeld zu reißen und in sowieso bereits überlasteten Einrichtungen abzustellen. (Wie wollen Sie die zusätzlichen Patienten überhaupt pflegen, es gibt ja schon jetzt nicht genügend personal!) Bei dem betreffenden Bürgerdialog versäumen Sie es, einen barrierefreien Veranstaltungsraum auszuwählen und lassen von den unmittelbar betroffenen Menschen genau sechs Teilnehmer zu, angeblich aus Feuerschutzgründen.
Statt sich darum zu kümmern, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient entstehen und darauf basierend eine erfolgreiche Behandlung durchgeführt werden kann, halten sie es für klug, alle Patientendaten ungefragt der „Forschung“ freizugeben und versage im selben Atemzug dabei, eine technisch sichere, elektronische Patientenakte umzusetzen.
Egal, welches Ihrer Vorhaben man heranzieht, es ist nicht weiter als bis zum Gartenzaun des Problems gedacht. Vertreten sind dabei grundschulhafte Mottos wie „Masse statt Klasse“, „Was ich nicht sehe, kann mich nicht stören“ und „Datenschutz? Kann man das essen?“
Meine dringende Bitte und mein noch dringenderer Rat daher an Sie, Herr Spahn: Kümmern Sie sich um die offenen Baustellen in ihrem Resort. Sorgen Sie für eine Verbesserung der Pflegebedingungen. Reduzieren Sie die Bürokratie, machen Sie den Pflegeberuf attraktiv. Sorgen Sie dafür, dass Krankenhäuser geöffnet bleiben und Fachärzte vorhanden sind.
Leuchtturmprojekte liegen Ihnen nicht. Vielleicht backen Sie erst mal kleinere Brötchen.Ich frage mich ehrlich , was in Ihrem Kopf abging, als sie die genannten Ideen für gut hielten. Ich halte nicht viel von Spitznamen oder Neologismen wie „Brexit“, aber angesichts Ihrer Ideen muss ich den Leuten zustimmen, das alles ist blanker Spahnsinn. Leuchtturmprojekte liegen Ihnen nicht. Vielleicht backen Sie erst mal kleinere Brötchen und überwinden Ihre Anwandlungen von heiterlustigem Größenwahn.
Marcus Curd Julian Hartmann