Ich finde die Bewegung #FridaysForFuture aus vielen Gründen großartig: sie politisiert die als politikverdrossen und uninteressiert abgestempelten jungen Menschen und bringt neue Bewegung in eine Sache, deren Relevanz schon viel zu lange irgnoriert und links liegen gelassen wurde. Die CO2-Steuer pro Tonne CO2 allerdings ist eine Idee, die ich – unabhängig von ihrer konkreten Umsetzung – nicht gut heißen kann

Der Gedanke hinter der Steuer ist ziemlich „straight forward“, wie man es als Entwickler beschreiben würde: Es gibt einen wissenschaftlich ziemlich genau bestimmten Punkt (Break-Even-Point) der CO2-Konzentration in der Luft, ab dem sich die schädlichen Auswirkungen nicht mehr aufhalten, geschweigedenn umkehren lassen. Ist dieser „Point of no return“ erreicht, – das sagt schon der Name – ist alles Lammentieren über negative Auswirkungen auf die Wirtschaft und Drohen mit dem Abbau von Arbeitsplätzen endgültig hinfällig, dann ist der Plant als Grundlage unseres Lebens und der Wirtschaft verloren.

Die beinahe vulkanisch und ebenso radikal anmutende, einzig logisch zulässige Schlussfolgerung fordert demnach bis 2030 eine ebenso radikale Reduzierung der CO2-Produktion, an der Verbrennungsmotoren und Heizungen anteilhaft maßgeblich beteiligt sind. Umgesetzt werden soll dies durch eine CO2-Steuer, die pro Tonne CO2 einen Betrag X an Abgaben an den Staat bedeutet und somit das Betreiben von PKW und Heizungen für alle uninteressant und schmerzhaft machen soll.

Für alle Schmerzhaft?

Nein. Denn wirklich treffen wird ein absoluter wie relativer Betrag pro Tonne – nennen wir ihn liebevoll „Fixus“ – vor allem diejenigen, die wenigstens eine von zwei Eigenschaften erfüllen: diejenigen, die viel CO2 ausstoßen und diejenigen, die ein schmal bemessenes Portmonait haben. Und – das kann ich schon jetzt sagen – leider treffen beide Eigenschaften auf den Großteil der Gesellschaft zu.

Dem einen oder anderen wird nun bereits ein Verdacht beschleichen, worauf ich hinaus möchte. Für eine Veranschaulichung meiner Gedanken erfinden wir zwei total austauschbare Katalogfamilien, wie man sie an jeder IKEA- oder REWE-Kasse findet.

Die Familien

Herr und Frau Müller

Herr und Frau Meier

  • Akademiker, ein Kind, gerade gebautes Häuschen mit Garten in der Vorstadt, zwei nagelneue Autos (Kleinwagen und SUV) von [Automarke, evtl. VW, Mercedes, Audi, BMW]. Frau Müller arbeitet in Teilzeit
  • Handwerker, zwei Kinder, Mietwohnung in denkmalgeschütztem Altbau in einer frisch gebackenen Großstadt mit angrenzender Großstadt. Ein 15 Jahre alten Diesel. Beide arbeiten Vollzeit.
  • Das Haus ist modern isoliert, zudem wurde eine moderne Gasheizung verbaut
  • unisolierter Altbau, nur nachträgliche Innenisolierung, alte Ölheizung
  • Die Eltern fahren das Kind morgens zur Schule und holen es manchmal auch ab. Beide pendeln mit ihrem Auto in andere Städte als ihren Wohnort.

Die zwei Kinder fahren mit dem Bus in die Schule und nach Hause. Frau Meier fährt mit dem alten Auto in die Nachbarstadt zur Arbeit, ihr Mann mit dem Fahrrad oder Bus zum Betrieb in der selben Stadt.

  • Zu dritt haben Sie ein Monatsbudget von 8.000 €, davon bleiben am Monatsende nach allen Ausgaben und Credittilgungen 2.000€ übrig.
  • Zusammen verdienen die Eltern 3.800 €, davon bleiben am Monatsende nach allen Ausgaben 250€.
  • Herr und Frau Müller sind Privat versichert und machen sich über ihre Altersvorsorge keine Sorgen. Sie haben einige zukunftsträchtige Finanzanlagen und das Haus.
  • Ehepaar Meier blickt mit Sorgen in die Zukunft. Die Rente wird nicht für den Erhalt der Wohnung reichen. Sie haben private Altersvorsorge, diese wird aber nur als wenige Hundert Euro ausfallen. Eigentum haben Sie keins.

Natürlich handelt es sich um zwei extreme Beispiele, aber auch bzw. gerade diese müssen von einer Steuer berücksichtigt werden.

Die wohlhabende Familie Müller ist grundsätzlich besser situiert. Zusätzliche Ausgaben können problemlos verkraftet werden. Dazu kommt eine modere Isolierung mit effizienter Heiztechnik und zwei Autos, die ebenfalls aufgrund ihrer Neuheit sehr ressourceneffizient funktionieren. Die Kosten für Heizung und Sprit sind gering, der Ausstoß ebenfalls.

Im Kontrast dazu steht Familie Meier, die sich vielleicht schon den Kopf darüber zerbricht, wie sie sich einen neuen Gebrauchtwagen leisten sollen, weil das alte Auto langsam Alterschwäche zeigt und häugier repariert werden muss. Vier Mäuler wollen gestopft werden, die Heizung ist mehrere Jahrzehnte alt und die Fenster sind auch nicht mehr richtig dicht. Einen Austausch der Heizung im Auftrag des Vermieters unter Mieterbeteiligung können sie sich nicht Leisten. Sie zahlen im Winter viel Geld und durchgehend zwar pro Liter weniger für Sprit, als Benzinfahrer, jedoch verbraucht der alte Motor verhältnismäßig viel und hat keine modernen Filtersysteme. Die Kosten für Heizung und Treibstoff sind beträchtlich, der Ausstoß sehr groß.

Egal, wie man eine CO2-Steuer umsetzt, ob mit zum Gehalt relativen oder – noch blöder (verzeihung für die Wortwahl) – absoluten Betrag pro Tonne wird Familie Meier immer benachteiligt sein. Denn Familie Meier hat bei viel höheren Ausgaben und einer marginalen finanziellen Toleranz eine viel höhere CO2-Quote, als Familie Müller.

Fazit

Während des Gespräches mit einem guten Freund über dieses Thema ließ dieser irgendwann folgenden Satz fallen: „Ja, das kommt davon, wenn man die Forderungen von Leuten umsetzt, die noch nie im Leben ihr eigenes Brot und die eigenen vier Wände bezahlt haben.“ Obwohl ich die Aussage im ersten Moment fragwürdig und durchaus streitbar fand, muss ich ihm zustimmen. Der Anteil der Bewegung, der sich selbst finanziert, dürfte marginal sein. Allerdings kann man das den Kämpfern von FridaysForFuture nicht zum Vorwurf machen. Denn es sind Schüler, die sich hier einsetzen müssen, damit die Politik überhaupt etwas tut. Vorwerfen kann man ihnen höchstens, aufgrund ihrer Sicht und ihrer Erfahrungen die nächstgelegenen Lösungen zu verlangen. Themen wie Sozialverträglichkeit und soziale Fairness, das Stechen in der Brust, wenn man zum Winterende wieder eine Heizkostenrechnung nachzahlen soll, diese Erfahrungen haben sie noch nicht gemacht. Hier sehe ich viel mehr die Politik in der Verantwortung, die sich bei allen Forderungen und Erwartungen, die #FridaysForFuture gestellt hat, ausgerechnet auf die Forderung stürzt, die am ehesten unsere gesellschaftliche Ungleichheit verstärken wird. Natürlich tut sie das. Denn ein Friedrich Merz, der sich mit 1.5 Millionen € Gehalt pro Jahr zur oberen Mittelschicht zählt oder ein Dr. Scheuer, der gerne „mit dem gesunden Menschenverstand“ argumentiert, ein Lindner, der sich gerne selbst als Profi in allen Bereichen sieht und vernünftige Forderungen einer ganzen Generation zu einer Sektenbewegung erklärt – sie alle werden eine CO2-Steuer kaum spüren. Sie bewegen sich mit ihrem Gehalt weit über dem Familienbudget der Beispielfamilie Müller, von Meiers wollen wir gar nicht erst reden.

Ist man ehrlich und betrachtet man Steuern im Laufe der Geschichte, so hat keine Steigerung auf bestimmte Waren jemals nennswerte Konsumreduzierung in der breiten Gesellschaft bewirkt. Stattdessen fördert eine Steuer auf ein breit etabliertes Mittel „Beschaffungskriminaltität“ und „Schwarzmarktaktivitäten“ bei denjenigen, die es sich dennoch leisten wollen und Not bei solchen, die nicht darauf verzichten können. Und wer kann auf eine Heizung verzichten?

Eine Steuer auf CO2 wird weder die Emissionen reduziert, noch die Gesellschaft darin unterstützt oder ermutigen. Das ist gerade zu typisch für die westliche Mentalität, man bekämpft nur die Symptome, nicht die Krankheit. Statt Anreize zu schaffen, die das „Solo“-Autofahren einer Familie Müller uninteressant machen – besserer und günstigerer ÖPNV, bessere und preiswertere Zuginfrastruktur, mehr und sicherere Radwege, etc – stürzt man sich auf das, was am einfachsten und schnellsten geht. Dabei wären die Möglichkeiten so vielfältig: Eine Finanzierungshilfe für die Modernisierung von Heizungsanlagen, die Subventionierung und Belohnung von Investitionen in nachhaltige und emissionsarme Energiegewinnung, die Schaffung einer flächendeckenden Infrastruktur für Elektroautos, die Besteuerung von jedem zusätzlichen PKW eines Haushalts.

Die Wohlhabenden wird eine Steuer nicht davon abhalten, weiterhin mit riesigen Karren die Kinder zur Schule zu fahren und eine private Autoflotte zu betreiben. Belasten wird die Steuer jedoch ausschließlich diejenigen, die sowieso schon Probleme haben, wenn sie im Winter heizen und füchten müssen, anschließend ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können.