Erbittert wurde der Kampf im Streit um die EU-Urheberrechtsreform geführt und seitens der Politik in Brüssel war man sich nicht zu schade, im Interesse der Lobbyfirmen undemokratische Mittel, Verleumdung und Lügen zu verwenden.

Die Bereitschaft zu unlauteren Maßnahmen reichte so weit, dass man Falschaussagen gegen den Bundesbeauftragten für Datenschutz veröffentlichte, hunderttausende Gegendemonstranten als gekauft bezeichnete und ihnen vorwarf, sich von großen Firmen der USA beeinflussen zu lassen. In Interviews wurde gelogen und den Gegnern der Reform pauschal unterstellt, man wolle das Internet als rechtsfreien Raum und sei nicht interessiert an den Rechten von Kreativen und Urhebern (obwohl unter den Gegnern unzählige Kreative und Urheber waren).

Dass die Kritik an der Reform nicht von ungefähr kommt, wurde spätestens bestätigt, als sich Urheberrechtsspezialisten, Professoren und Forschern in unzähligen offenen Briefen dagegen aussprachen. Häufig angeführte Kritik: die Reform schwäche die Rechte und Gewinne der Urheber und stärke selbige der Verwertungsgesellschaften. Auseinandergesetzt hat sich mit diesen Bedenken keiner aus der Riege um Axel Voss, seines Zeichens Berichterstatter und ausgezeichnet Ahnungsloser in Technikfragen

Nun, drei Tage, nachdem die Reform in ihrer ganzen Missgestalt vom EU-Rat akzeptiert wurde, werden die Kritiker bestätigt: „VG Media schickt Google eine Rechnung“ titelt die „FAZ Feuilleton“, die sich selbst während der hitzigen Debatte stets für die Reform ausgesprochen und Reformgegner in unzähligen Kommentaren und Pamphleten verunglimpft und beleidigt hatte. Der Artikel berichtet, dass die Verwertergesellschaft VG Media von Google „[…] rückwirkend für die Zeit vom 1. August 2013 bis zum 31. Dezember 2018 1,24 Milliarden Euro […]“ (FAZ) verlangt, obwohl die Gesetze für die Landesspezifische Auslegung der Reform erst in zwei Jahren in Kraft treten werden

Die Plattform „heise online“ berichtet weiter, dass VG Media vor dem Berliner Landgericht Klage auf Schadenersatz eingereicht habe. Der Schaden sei durch angezeigte Textauszüge und Vorschaubilder entstanden. „Die VG Media vertritt dabei etliche Presseverlage wie Axel Springer, Handelsblatt, Funke oder Dumont, beispielsweise jedoch nicht Heise Medien.“

Kritik wird bestätigt

Die Kritiker sehen sich nun bestätigt in dem, was sie schon von Anfang an zu der dilettantisch anmutenden Reform zu sagen hatten.

Jetzt geht’s los. Die dt Verwertungsgesellschaft „VG Media“ will alleine 8,5 Milliarden Euro von Google – pro Jahr. Nur für Google News und die Google Suche. YouTube ist noch nicht mal enthalten.

Sebastian Jabbusch, @SebJabbusch, Berater für polt. Kommunikation, Social Media, digit. Kampagnen und Livestream Anbieter

Quelle: https://twitter.com/SebJabbusch/status/1118819995033718784

Die deutschen Verlage, die sich vom EU-Parlament einen Geldscheisser in Form einer Linksteuer gewünscht und mit der Urheberrechtsreform bekommen haben, wollen diesen jetzt schlachten, und zwar rückwirkend bis ins Jahr 2013. #Artikel12 bzw #Artikel16

Manniac, @manniac, Zeichner und YouTuber
Quelle: https://twitter.com/manniac/status/1118844520022593538

Noch kein deutsches Gesetz, diverse Urteile stehen noch aus. Doch die VG Media hat wohl Google einen Vergleich angeboten. Google solle zahlen: – rückwirkend 1,24 Milliarden Euro (seit 2013) – zwischen 3,44 und 8,5 Milliarden bis 2024 – jedes Jahr

Stephan Ebmeyer, @sebmeyer, ARD-Moderator

Quelle: https://twitter.com/sebmeyer/status/1118839641355034624


Kommentar

Es ist kein Geheimnis, dass die Urheberrechtsreform massiv durch die Verwertungsgesellschaft beeinflusst und subventioniert wurde. Seit Existenz der freien Presse haben es die deutschen Verlage und Verwerter unzählige Male versucht, ihr Reich weit jenseits ihrer Kompetenzen auszubreiten. So wurde Axel Voss von Verlegern mit schlechter Berichterstattung gedroht, wenn er nicht in ihrem Interesse handle.

Sind wir ehrlich, es war zu erwarten, dass früher oder später einer der Verwerter gegen Google schießen und sich seinen Goldesel zu sichern suchen würde. Überrascht bin ich von der Dreistigkeit, dies unmittelbar nach der Verabschiedung einer Richtlinie zu tun, für die es national noch gar keine Gesetzesgrundlage gibt. Und beeindruckt. Denn das Verlangen danach, so schnell wie möglich Geld einzufordern, kann entweder purer Gier entspringen, oder finanzieller Schieflage. Beides führt häufig dazu, dass Unternehmen unvorsichtig werden und sich, wie (hoffentlich) auch in diesem Falle, übernehmen. Gespannt bin ich auf jeden Fall auf die Antwort des Berliner Landgerichtes, das zum aktuellen Zeitpunkt der Klage noch kein neues Gesetz im Sinne der EU-Urheberrechtsreform vorliegen hat und demnach (meiner Meinung nach) nach der aktuellen Gesetzeslage entscheiden muss.

Das Verhalten der VG Media wirkt auf mich wie das Verhalten eines pubertierenden, halbstarken Jugendlichen, der wegen dem ersten gesprossenen Genitalhaar nun denkt, die Welt regieren zu können. Ich hoffe, dass Google & CO sich von dieser Stichelei nicht beeindrucken lassen und würde mir wünschen, den Verlagen und Verwerten jegliche Luft aus den Angriffen zu nehmen, indem man sie schlichtweg aus dem Suchindex streicht – vielleicht nur für zwei oder drei Monate, vielleicht auch für immer (wer vermisst schon die BILD?!). Eine kalte Dusche hat schließlich noch keinem Halbstarken geschadet, der in einem Anflug von maßloser Selbstüberschätzung dachte, sein Wille verändere die Regeln der Welt.

Zusammenfassung
Ein Vorgeschmack der EU-Urheberrechtsreform
Titel
Ein Vorgeschmack der EU-Urheberrechtsreform
Autor
Veröffentlicher
Marcus Curd Julian Hartmann